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Was sind Comics?

Comics sind Bildergeschichten, die sequentiell angeordnet sind. Wird Text verwendet, steht dieser entweder in Sprechblasen oder am Bildrand. Typisch ist die Verwendung von lautmalerischer Sprache ("KNALL", "RUMMS") und von Inflektiven ("gähn", "hüpf", "sing") für Tätigkeiten.

Vorläufer

Sequenzielle Kunst gab es bereits in der Steinzeit. Schon in der "Höhle von Lascaux" in Frankreich gibt es zeitlich angeordnete Bilder, die über 15000 Jahre alt sind. Die Verbindung von Schrift und Text tauchte zum ersten Mal um 2600 v. Chr. in Mesopotamien auf einem Königssiegel auf. In der ägyptischen Hochkultur entwickelte sich aus Hieroglyphen und Bildern eine eigene Kunstform und in Griechenland wurden Bildergeschichten in der Vasenmalerei dargestellt. Dabei entstand auch die direkte Verbindung von Sprache und Figur. In Rom wurde u.a. auf der Trajanssäule die Bildergeschichte auf ein neues Niveau gehoben. In ausufernden Erzählungen wurden die Ruhmestaten des Kaisers als Abfolge kleiner Bilder geschildert.
Im Mittelalter wurden in der Buchkunst und auf Wandtteppischen neue Formen der Bilderzählung gefunden, in denen Sprache und Text zusammen auftragen. Der Teppich von Bayeux (1066) ist ein prominentes Beispiel. Weil die mittelalterliche Gesellschaft zum größten Teil aus Analphabeten bestand, hatten Bilder eine besonders wichtige Bedeutung. Auch nach der Erfindung des Buchdruckes wurden die meisten Geschichten deshalb bildlich in Büchern dargestellt. Künstler wie Albrecht Dürer und Martin Schongauer entwickelten eine ausgeklügelte Bildsprache, die großen Einfluss auf nachfolgende Generationen ausübte. Im Jahr 1827 verfasste der Schweizer Rodolphe Töpfer "Les Amours de Monsieur Vieux-Bois", eine Bildergeschichte, die schon viele Elemente des modernen Comics enthält. Jedes Bild fußt auf der Handlung des vorherigen, es gibt einen Hauptdarsteller und die Bilder sind mit Text kommentiert. Auch die Visualisierung von Geräuschen und Bewegung ist in diesem Werk zu finden.
Neben den direkten Vorläufern hat vor allem die Kunstform der Karikatur einen wichtigen Einfluss auf die Entwicklung des Comics gehabt. Schon Leonardo da Vinci zeichnete einige seiner Zeitgenossen in übertriebener und spöttischer Manier. Seit Anfang des 19. Jahrhunderts erschienen zahlreiche Zeitschriften, z.B. der "Punch" in England oder der "Simplicissimus" in Deutschland, in denen regelmäßg Karikaturen veröffentlicht wurden.

Die Entwicklung des modernen Comics

Mit Rodolphe Töpfer war bereits der entscheidende Schritt getan wurden, so dass Künstler wie Wilhelm Busch ("Max und Moritz") oder Richard Felton Outcault die karikaturhafte Zeichnung mit der Bildgeschichte verbinden konnten. Ein bedeutender Entwicklunsschritt wurde in "Krazy Kat" von George Herriman (1913/14) gemacht. Zum ersten Mal trattein vermenschlichtes Tier als Hauptdarsteller auf und viele heute übliche Stilmittel kamen erstmals zum Einsatz. Die Entwicklungsstränge in Japan, Europa und den USA liefen fortan auseinander. Während ín Japan vor allem Karikaturmagazine erschienen, entstand in Frankreich und Belgien das Comic-Heft. Frühe Beispiele sind "Tim und Struppi" von Hervé und "Tarzan" von Hal Foster. In Amerika erfand Walt Disney Mickey Mouse und nach großen Erfolgen mit Zeichentrickfilmen erschien 1930 der erste Mickey-Mouse-Comic. Es folgten Donald Duck und viele weitere Figuren. Den großen Durchbruch schafften die Comics jedoch erst mit der Erfindung von Superman. Jerry Siegel und Joe Schuster veröffentlichten 1938 den ersten Superhelden-Comic, der gerade bei Kindern und Jugendlichen sehr beliebt wurde und eine große Welle neuer Superhelden auslöste.

Nach diesen Entwicklungen war die technische Seite des Comics weitgehend vollendet und in der Folgezeit fanden die wesentlichen Neuerungen auf inhaltlicher Ebene statt. Im zweiten Weltkrieg wurden die Comics immer ideologischer und zeigten z.B. Superhelden, die gegen Nazis kämpften. Nach dem Krieg erholte sich die Wirtschaft und der Comic erlebte sein Goldenes Zeitalter ("Golden Age") in den 1950er Jahren. In Amerika waren es vor allem der Autor Stan Lee und der Zeichner Jack Kirby, die das Bild des Superhelden in dieser Zeit prägten. Sie standen auch für eine vorher nicht gekannten Arbeitsteilung zwischen Autor und Zeichner, die fortan zum Standard wurde. Der Comic-Verlag Marvel schuf ein ganzes Universum von Superhelden, zu denen "Die fantastischen Vier", "Batman" und "Wonder Woman" gehören und dominierte für lange Zeit den Markt.

Parallel zu den populären Comics für die breite Masse entwickelt sich ab den 1960er Jahren in den USA der Underground-Comic. Bedeutende Vertreter sind z.B. Robert Crumb und Art Spiegelman. Mit ihren subersiven und gegen den Mainstream gerichteten Geschichten, fanden sie einen prominenten Platz in der entstehenden Gegenkultur. Anders als Disney und Marvel waren die Comix (diese Schreibweise wurde zur Abgrenzung benutzt) für Erwachsene gemacht. Sie thematisierten Sex, Gewalt und Drogen und benutzten z.T. drastische Darstellungen, die für das prüde Amerika schockierend wirken mussten.

In Japan entwickelt sich eine eigene Bildsprache in den Mangas. Da die japanische Kunstgeschichte völlig unabhängig von der abendländischen entstanden ist und sich somit die Zeichner völlig anderer Einflüsse bedienten, entstand eine eigene Kunstform, die seit den 1980er Jahren auch im Westen zunehmend populärer wurde. Typisch sind die einfach gezeichneten Gesichter, die mit wenigen Merkmalen auskommen, die großen Kulleraugen und eine deutlich von den westlichen Comics unterschiedene Darstellung von Emotionen.

Im 21. Jahrhundert zeigt sich, dass die Möglichkeiten des Comics längst nicht ausgereizt sind. Marjani Satrapi feierte große Erfolge mit ihrem autobiografischen Werk "Persepolis" und die "Graphic Novel" von Alison Bechdel schaffte es im Jahr 2007 als erster Comic überhaupt sogar auf den ersten Platz der Bestenliste des Time Magazines. Eine weitere interessante Entwicklung ist der Comic-Journalismus, wie ihn Joe Sacco für den Nahost-Konflikt verwendete.

Sind Comics Kunst?

Seit den 1990er Jahren hat ein Umdenken in der Wissenschaft und der Kunst stattgefunden. Lange Zeit waren weder Kunsthistoriker noch Literaturwissenschaftler an Comics interessiert und betrachteten sie als minderwertige Unterhaltungsform. Als erstes fanden die Underground-Comics Beachtung bei Wissenschaftlern und wurden genauer untersucht. Robert Crumb schaffte es sogar zu einer Ausstellung im Museum Ludwig in Köln (2002), die den selbstironischen Titel "Yeah, but is it art?" hatte. Durch Arbeiten von Scott McLoud, Will Eisner und vielen anderen wurde ein theoretischer Ansatz entwickelt, der den Blick auf Comics weitete und das Interesse verschiedener Disziplinen der Geisteswissenschaften beförderte.
Sicher ist nicht jeder Comic der Kunst zuzurechen, so wie auch nicht jedes gemalte Bild ein Kunstwerk ist. Dennoch ist die Auseinandersetzung mit diesem kulturellen Erzeugnis äußerst fruchtbar, da es mit eigenständigen Mitteln den jeweiligen Zeitgeist reflektiert und damit möglicherweise andere Erkenntnisse zulässt als z.B. die Literatur oder Malerei.

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